Schubhaft - Beratung in Ausnahmesituation

Was bedeutet Schubhaft und unter welchen Voraussetzungen wird sie verhängt? Wir haben bei unseren Kolleg*innen nachgefragt, die Menschen in Schubhaft beraten. 

Mit Haft verbinden wir Personen, die etwas falsch gemacht haben und dafür eine Strafe bekommen. Schubhaft hat eine andere Bedeutung. „Eine Schubhaft erfolgt wegen angenommener Fluchtgefahr, um ein Verfahren oder eine Abschiebung zu sichern“, erklärt Rechtsberater Florian K*. Seine Kolleg*innen und er beraten rund dreimal pro Woche etwa 40 Klienten in der Schubhaft in der Steiermark, wo derzeit rund 110 Männer untergebracht sind. „Die Schubhaft stellt auch sicher, dass der Klient alle Termine wahrnimmt und bei allen erscheint.”

Straffälligkeit ist kein Grund für die Schubhaft, wie Florian erklärt: “Es kann aber sein, dass sie vorliegt und als Fluchtgrund angenommen wird – und deshalb eine Schubhaft erfolgt. Die Straffälligkeit allein betrifft aber ordentliche Gerichte, die Schubhaft wird von Behörden angeordnet.”

In Schubhaft kommen Menschen, die abgeschoben werden sollen. Hierfür wird die Schubhaft entweder zur Sicherung des Verfahrens, das die Grundlage für die Abschiebung sein soll, oder zur Vorbereitung der Abschiebung von der Behörde angeordnet. Florians Kollege, Rechtsberater Fabian R., berät etwa einmal pro Woche Klienten in Wien. Die Rechtsberatung an sich ist in Wien täglich in der Schubhaft.

“Um 8 Uhr sind unsere Kolleg*innen von der URB vor Ort, ab dann ist es meist relativ chaotisch”, sagt der Rechtsberater. Er erhält eine Liste mit den Männern, die sich beraten lassen wollen bzw. beraten werden müssen, dann muss alles organisiert werden: Die Polizei muss den jeweiligen Klienten aufsuchen und informieren – mitunter ist dieser gerade beim Essen oder duscht – und schließlich muss ein*e passende*r Dolmetscher*in gefunden werden.

Auch für die Klienten ist der Ablauf herausfordernd. “Sie haben viele Infos und Zettel, einiges davon ist nicht übersetzt, alles ist verwirrend.” Fabian versucht, die Menschen über seine Tätigkeit aufzuklären, wobei auch das nicht immer einfach ist.

“Wenn man selbst die Klienten-Perspektive einnimmt, ist das verständlich.“ Denn ein Klient kann Hilfe zu unterschiedlichsten Themen und Fragen benötigen, die nichts mit der Rechts- und Rückkehrberatung zu tun haben. Was passiert zum Beispiel mit meinen Sachen, die er noch hat, wo kann er sich beschweren, wenn er schlecht behandelt wird usw. Für all das sind unsere Kolleg*innen nicht zuständig.

Genaue Aufklärung

Wieso die Rückkehr- und die Rechtsberatung trotz gleichem Unternehmensnamens nichts miteinander zu tun haben und was der gesetzliche Auftrag der BBU ist, bleibt für viele unverständlich. Erschwerend hinzu kommt, dass die Klienten keinen fixen Berater*innen zugeteilt sind. “Wir stellen uns daher immer wieder neu vor und erklären im Einzelnen, wofür wir zuständig sind und an wen sie sich sonst wenden können. Ob sie die Unterstützung annehmen oder nicht, bleibt ihnen natürlich selbst überlassen.”

Auch Florian hört von Klienten oft: Mit der BBU habe ich bereits gesprochen. „In den Aufzeichnungen sehe ich dann, dass es nicht mit der Rechtsberatung war. „In den Aufzeichnungen sehe ich dann, dass es nicht mit der Rechtsberatung war.“

Er klärt die Klienten genau auf, doch nicht alle nehmen es an, manche wollen nichts mehr hören und schalten ab. “Man muss in der Schubhaft akzeptieren, dass man nicht zu allen Leuten durchdringt, die Menschen sind in einer Ausnahmesituation. Wenn ich erkläre, dass ich nicht für die freiwillige Rückkehr zuständig bin und der Klient immer nur wiederholt, dass er zurück möchte, kann ich das nur an die Kolleg*innen aus der Rückkehrberatung weitergeben.“

Einer dieser Kollegen ist Ahmad R. Mit ihm teilt Florian immer wieder das Besprechungszimmer, denn Beratungszimmer gibt es im Gebäude nicht. Daher müssen sowohl die Rechts- als auch die Rückkehrberatung im Besuchsraum des Gebäudes durchgeführt werden.

Rückkehrberater Ahmad R.

"Wir sind ein super Team und arbeiten gern und gut zusammen.”

Die Rückkehrberatung unterstützt Schubhaft-Klienten bei einer freiwilligen Rückkehr. Auch in diesem Stadium bleibt diese eine menschenwürdige Alternative zur Abschiebung. Sie ermöglicht eine geregelte und organisierte Ausreise per Linienflug statt einer Abschiebung, die ungeplant und mit Polizeibegleitung erfolgt.

In der Steiermark sitzen die Rechtsberater*innen und Rückkehrberater*innen den Klienten auf kleinen Tischen gegenüber, in einigen Metern Abstand folgen drei bis vier weitere Tische. Mit den Dolmetscher*innen sind sie telefonisch verbunden. Vertrauliche Informationen geben die Rechts- und Rückkehrberater*innen natürlich nicht weiter.

“Es gibt nie Probleme zwischen uns”, sagt Ahmad. “Wir sind ein super Team und arbeiten gern und gut zusammen.”

Belastende Situation

Die räumliche Situation in Wien ist weitaus stressiger und belastender, wie Fabian weiß: „Wir beraten durch eine Plexiglaswand mit Telefonhörer, über ein Handy ist dann noch ein*e Dolmetscher*in zugeschaltet.“ Der Raum ist wie ein L geformt, auf der Innenseite befinden sich die Klienten, außen die Berater*innen. Die Sitzkojen haben eine kleine Abschirmung, dennoch sind Nebengeräusche zu hören und die Akustik ist miserabel. “Sobald jemand im Raum mit dem Sessel rückt, hören das alle.”

Rückkehr- und Schubhaftbescheid

Welche Hoffnung und Aussicht haben die Menschen bezüglich der Rechtsberatung überhaupt? Die Chancen, dass jemand nicht außer Landes gebracht wird, sind gering. “Die Klienten in Schubhaft verfügen über zwei Bescheide: Den Rückkehr- und den Schubhaftbescheid”, erklärt Florian. „In der Beratung spielt eine Bekämpfung des Rückkehrbescheids oft keine Rolle mehr. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Haft – und damit verbunden die Möglichkeit der Enthaftung – wollen die Klienten aber oft geklärt wissen.“ Die Kolleg*innen unterstützen die Klienten auch bei der Vorbereitung zur Gerichtsverhandlung;

In manchen Fällen ist es sogar möglich, von der Schubhaft aus um einen Aufenthaltstitel anzusuchen – etwa wenn in der Rechtsberatung herauskommt, dass die Person ein Opfer von Menschenhandel ist.

Große Expertise in der BBU

Die Fälle in der Schubhaft sind komplex und das Wissen selbst bei Jurist*innen gering. Nur wenige Anwält*innen und NGOs beschäftigen sich damit. Anders im Geschäftsbereich Rechtsberatung, so Fabian: “Wir haben sehr gute interne Schulungen und eine große interne Expertise darüber. Die BBU gehört sicher zu den Organisationen mit dem meisten Know-how.”

Rechtsberater Fabian R.

“Wir haben sehr gute interne Schulungen und eine große interne Expertise darüber. Die BBU gehört sicher zu den Organisationen mit dem meisten Know-how.”

Generell ist die Schubhaft bis zu 6 Monate zulässig. Nach 4 Monaten findet eine gerichtliche Überprüfung statt, ob die Schubhaft noch gerechtfertigt ist – diese wiederholt sich im Anschluss alle vier Wochen. Die Schubhaft kann unter bestimmten Voraussetzungen auf bis zu 18 Monaten ausgedehnt werden.

Oft müssen die Personen in Schubhaft nicht in ihr Herkunftsland, sondern in andere EU-Länder ausreisen, es handelt sich also um Dublin-Fälle. Das geht meist rasch vor sich, die Leute sind durchschnittlich 5 bis 6 Wochen in der Schubhaft. “Genauso gibt es Menschen, die 15 Monate bleiben müssen, weil die Abschiebung ins Herkunftsland nicht funktioniert. Mit ihnen sind wir regelmäßig im Austausch – sie kennen den Unterschied zwischen der Rechts- und der Rückkehrberatung dann bereits ganz genau”, sagt Florian.

Zusammenarbeit mit den Botschaften

Eine weitere Schwierigkeit ist die Zusammenarbeit mit den Botschaften. Einige, wie die türkische Botschaft, arbeiten mit Fingerprints und modernen Systemen, sie bearbeiten Anfragen und Fälle schnell. Brauchen die Klienten Heimreisedokumente oder einen Reisepass, müssen sie mitunter selbst die Botschaft aufsuchen, das geschieht per Bus und unter polizeilicher Begleitung, während der Zeit sind sie in Wien untergebracht. Manche Länder, wie Gambia oder Guinea, haben in Wien gar keine Botschaft. Die Bearbeitung und Beantwortung der Anfragen braucht lange, selbst eine freiwillige Rückkehr kann sich ziehen. Wenn die Abschiebung mangels Dokumente nicht organisiert werden kann, werden die Klienten irgendwann (spätestens nach 18 Monaten) aus der Schubhaft entlassen.

Während dieser Zeit sind Ahmad, Fabian und Florian für die Klienten da. Auch wenn sie zum 10. Mal erklären müssen, welche Aufgabe sie erfüllen.

*Unsere Mitarbeiter*innen sind in einem gesellschaftspolitisch hochsensiblen Bereich tätig. Um sie bestmöglich zu schützen, veröffentlichen wir nicht ihren vollständigen Namen.

Fotos: Canva

 

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