Staatenlosigkeit – was heißt das?

Auch in Österreich gibt es staatenlose Menschen, viele von ihnen haben ihre Heimat aufgrund von Krieg und Verfolgung verlassen. Unsere Rechtsberater*innen beraten sie. Das UNHCR macht auf ihre Situation ebenfalls aufmerksam und unterstützt Maßnahmen gegen Staatenlosigkeit.  

Für uns ist es selbstverständlich. Wir geben unsere Staatsbürgerschaft an, wenn wir einen Job antreten, das Kind für die Schule anmelden oder ein behördliches Formular ausfüllen.

Was aber, wenn dieses Feld leer bleibt? Was, wenn es keinen Staat gibt, zu dem wir zugehörig sind? Staatenlose Menschen haben erhebliche Nachteile, egal ob es um Jobsuche, Mietvertrag oder Kontoeröffnung geht.

 

Staatenlosigkeit ist wenigen Menschen bekannt oder bewusst. Und dennoch ist sie vorhanden. In Österreich geht man von rund 20.000 Menschen aus, die staatenlos sind. Weltweit sind schätzungsweise 4,3 Millionen Menschen davon betroffen. Eine genaue Statistik fehlt – für viele Regierungen ist das Thema zu sensibel. Staatenlose Menschen haben erhebliche Nachteile, egal ob es um Jobsuche, Mietvertrag oder Kontoeröffnung geht.

Olivia S.*, fachliche Leiterin der Senior Experts der Rechtsberatung in der BBU, erklärt:

„Generell erhält man die Staatsbürgerschaft entweder durch Geburt auf dem Hoheitsgebiet eines Staates, oder man bekommt sie durch die Abstammung, also der Staatsbürgerschaft der Eltern oder eines Elternteils. Die Gründe, staatenlos zu sein, sind unterschiedlich. Zum Beispiel werden in manchen Ländern Minderheiten nicht als Staatsangehörige anerkannt, wie etwa die Rohingya in Myanmar oder die Bidun in Kuwait. 

Dementsprechend ist die Staatenlosigkeit auch bei der Prüfung der Verfolgungsgründe mitzuberücksichtigen. Die Staatsbürgerschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen auch entzogen werden, wobei völkerrechtliche und europarechtliche Übereinkommen darauf abzielen, Staatenlosigkeit zu verhindern.“

Mangelnde Informationen oder administrative Schwierigkeiten, wie überhöhte Gebühren sowie die fehlende Registrierung neugeborener Kinder, können ebenfalls zur de facto Staatenlosigkeit führen. Und Kinder staatenloser Eltern sind in Folge in vielen Fällen ebenso staatenlos.

Auch die Unabhängige Rechtsberatung der BBU ist mit der Thematik befasst, denn auch Asylsuchende können staatenlos sein. Rechtsberaterin Maryana S., die unter anderem auch unbegleitete minderjährige Jugendliche berät, ist mit einem entsprechenden Fall betraut.

„In dem Fall handelt es sich um einen Rohingya, der keine Staatsbürgerschaft besitzt und in Österreich um Asyl ansucht.“

 

Maryana und Olivia haben auch Palästinenser*innen beraten. Sie sind ebenfalls staatenlos, verfügen aber über ein eigenes Schutzsystem. Die UNRWA, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge Nahen Osten, bietet in Gaza, in Westjordanland, in Syrien, in Libanon und in Jordanien Hilfe an. Dadurch sind Palästinenser*innen vom allgemeinen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention ausgenommen. „UNRWA kann derzeit aber beispielsweise in Gaza oder Syrien keinen ausreichenden Schutz bieten“, sagt Maryana. „Ein Asylverfahren in Österreich ist möglich, folgt aber einem anderen Prüfungsschema“, betont Olivia.

Welche Perspektiven gibt es?
In einer Schulung, die Leonhard Call-Blaßnig vom European Network on Statelessness durchführte, erfuhren unsere Kolleg*innen mehr über die Rechte von staatenlosen Personen, die sich aus völker- oder europarechtlichen Vorgaben ergeben.

„Verfügen die Menschen über einen gewöhnlichen Aufenthalt etwa in Österreich, haben sie das Recht auf eine Geburtsurkunde ihrer Kinder, damit das zumindest dokumentiert wird. Unter bestimmten Voraussetzungen wird ein Fremdenpass ausgestellt“, sagt Olivia. Maryana erfuhr, dass staatenlose Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren einen etwas erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft erhalten, die ansonsten sehr rigide und schwer erreichbar ist. „Sobald eine staatenlose Person 18 Jahre alt wird, hat sie drei Jahre Zeit, einen Antrag bei der Staatsbürgerschaftsbehörde zu stellen. Personen über 21 müssen viele Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel eine bestimmte Einkommenshöhe.“

UNHCR will Situation verbessern
Um die Situation zu verbessern und gegen die Staatenlosigkeit anzukämpfen, informiert das UNHCR Staaten weltweit dazu. Es unterstützt die Umsetzung und Verbesserung der Gesetzgebung, bildet Beamt*innen weiter und koordiniert die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.

Maryana und Olivia hoffen auf eine Verbesserung.

 

*Unsere Mitarbeiter*innen sind in einem gesellschaftspolitisch hochsensiblen Bereich tätig. Um sie bestmöglich zu schützen, veröffentlichen wir nicht ihren vollständigen Namen.

Fotos: Canva

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