Autorin: Bettina Scholdan/BBU Stabsstelle für Menschenrechte
Wie die meisten von uns verfolge ich die Nachrichten aus der Ukraine mit großer Besorgnis. Neulich gab ich auf Google „women“ und „Ukraine“ ein. Es erschienen gleich auf der ersten Seite völlig konträre Schlagzeilen: UN Women und das UN Bevölkerungsprogramm mahnten, die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen in bewaffneten Konflikten und auf der Flucht zu berücksichtigen. Die Washington Post titelte zu starken Frauen, die in der Ukraine zu Waffen greifen.
Und nicht wenige bezahlte Links bewerben „Dates“ mit Frauen aus der Ukraine – eine Erinnerung an friedlichere Zeiten, aber auch an die vielen Umstände, die Frauen dazu bewegen, sich in prekäre Abhängigkeitsverhältnisse zu begeben. Das Magazin Atlantic beschrieb die Situation von ukrainischen Leihmüttern – die Ukraine ist eines der wichtigsten Länder für internationale Leihmütterschaft – die seitens der Vermittlungsagentur und der zukünftigen Eltern seit Monaten großem Druck ausgesetzt sind, das Land zu verlassen, oft ohne ihre Familie.
Am Tag der Frauen feiern wir den essenziellen Beitrag von Frauen zur Gesellschaft. Ukrainische Frauen zeigen uns derzeit, wie vielfältig dieser Beitrag ist – auch oder gerade in lebensgefährlichen Situationen: sie flüchten, um ihre Kinder oder alte Familienmitglieder in Sicherheit zu bringen.
Die meisten nehmen dafür die Trennung von geliebten Menschen in Kauf, allen voran dem Lebenspartner, der die Ukraine nicht verlassen darf. Manche entscheiden sich anders und kehren an der Grenze zurück, nachdem sie ihre Kinder an Verwandte oder Freunde übergeben haben. Beides sind herzzerreißende Entscheidungen. Andere entscheiden sich dafür, gegen den russischen Einmarsch bewaffneten Widerstand zu leisten. Militärdienst und Teilnahme an Kampfhandlungen waren lange Bastionen der Ungleichbehandlung, und sind es in vielen Ländern noch. (Natürlich sollte niemand in einem Krieg kämpfen müssen).
Frau ist aber nicht gleich Frau: eine Transgender-Frau in Kiew berichtete über ihre Angst, die Stadt zu verlassen, weil sie die ukrainischen Behörden mit einem auf männliches Geschlecht ausgestellten Reisepass nicht über die Grenze lassen würden. Denn Transgender-Personen haben in der Ukraine kein Recht auf eine selbst gewählte Geschlechtsidentität. Frauen anderer Hautfarbe sollen sich bei der Flucht hinten anstellen, wie die vielen Vorwürfe über Diskriminierung afrikanischer Studierender in der Ukraine beim Zugang zu Bussen und Zügen und an den Grenzübergängen andeuten.
Frauen sind nicht ihrem Wesen nach schutzbedürftig. Sie brauchen – wie jeder Mensch – Schutz, wenn ihre Rechte verletzt werden oder die Umgebung sich nicht an ihre essenziellen Bedürfnisse anpasst. Oft wird ihnen dieser Schutz verwehrt.
Die Hilfsbereitschaft, die auch aus Österreich den ukrainischen Flüchtlingen jetzt entgegenkommt (in der BBU sind bis dato knapp 4.500 Angebote von Nachbarschaftsquartieren für insgesamt ca. 20.000 Personen eingelangt) ist überaus willkommen und wird den Flüchtlingen über viele schwierige Momente hinweghelfen.
Der Tag der Frauen erinnert uns aber auch daran, dass Frauen Menschen mit Rechten und Pflichten sind, und sie treffen darüber tagtäglich eigenständig wichtige Entscheidungen. So sollten wir ihnen auch begegnen.
Bilder (von oben nach unten): © UNHCR/Zsolt Balla, © UNHCR/Ruth Schoeffl, © UNHCR/Marin Bogonovschi